„Das Geld zerreißt unsere Familien"
- Von meinem Aufenthalt bei den Huaorani im Januar 2002 -

alle weiteren Gesprächsversuche enden in schallendem Gelächter. Warum sie Quehueire'ono verlassen haben, hätte mich brennend interessiert (immerhin hat Mois Vater diesen Ort gegründet), aber so sehr ich mich auch anstrenge, sie versteht mich nicht und Ghazy und die anderen drängen schon wieder zum Aufbruch. Dennoch nehme ich mir zumindest die Zeit, mir mit ihr die Hauswand anzusehen, an der Moi Fotos von seinen Reisen um die Welt geheftet hat und entdecke auch ein Bild, das mich mit ihm und Sofia am Flughafen von Zürich zeigt. Erst als ich darauf deute, und dann auf mich, scheint bei Jepo der Groschen zu fallen und sie fängt noch herzlicher an zu lachen und nimmt mich in die Arme.

Ansonsten fällt mir - von dem nagelneuen Mountainbike, auf dem einer von Mois Brüdern herum gondelt und das inmitten des Dschungels wie ein Ufo wirkt - der für Huaoraniverhältnisse rect große Hausrat an Blechtöpfen und Tellern auf. Auch ein Rost, den sie offensichtlich als Grill benutzen, entdecke ich. Keine Frage, Moi gehört zu den reichen Huaorani und bringt von seinen Ausflügen alle möglichen Dinge mit, die er in irgendeiner Form für nützlich hält. Jepo trägt neben einem sehr alten, dicken Stoffkleid, das mir schon beim Hinschauen die Schweißperlen ins Gesicht treibt, zwei traditionelle Ohrringe aus Holz, die sie in ihre unendlich geweiteten Ohrläppchen (das Zeichen für Verheiratete) gesteckt hat und drei Halsketten mit billigen Plastikperlen, die ganz offensichtlich noch von Laura Rival stammen.

Nach etwa einer halben Stunde fahren wir weiter und auf unser Bitten hin ist es für Ica kein Problem, uns bis zur Safari-Lodge zu begleiten, wo wir wie im letzten Jahr die erste Nacht verbringen wollen und wo wir gegen 16.30 Uhr ankommen. Von mir aus hätten wir ruhig noch etwas weiter fahren können, aber mit Rüksicht auf Grace beschließen wir den etwas komfortableren Aufenthalt im ohnehin verlassenen Camp von „Safari-Tours", einem Reiseveranstalter aus Quito.

Wir laden alles Notwendige aus dem Kanu, decken den Rest mit einer grünen Plastikfolie ab und nutzen das letzte Tageslicht, um unsere Moskitonetze und unsere Küche aufzubauen. Im Safaricamp gibt es sogar eine Dusche, die aus drei großen Kanistern gespeist wird, in denen sich das Regenwasser sammelt. Robert ist von dieser zugegebenermaßen hochinteressanten Konstruktion hellauf begeistert und Ghazy unterstreicht, daß man hier unter der Dusche den Urwald mit nahezu allen Sinnen genießen kann: Hier kann man den Wald nicht nur sehen, hören und riechen, sondern fühlt auch noch das sanfte Regenwasser auf der Haut. Während Grace und Robert dieses Erlebnis nacheinander ausprobieren, Patricio sich an seine Kochtöpfe macht und Ghazy verzweifelt nach seiner zweiten Zeltstange sucht, baue ich meine Kamera auf ein Stativ, das wir auch noch von Grace mitgeschleppt haben und warte auf den Sonnenuntergang. Bis es so weit ist, nutze ich die Zeit und mache meine Notizen. Dabei fällt mir eine Geschichte ein, deren Zeuge ich auf Ghazys Geburtstag zufällig wurde. Pablo, ein alter Studienkollege von Ghazy, fragt ihn nach Samuel Caento und was aus ihm geworden sei. Ghazy antwortet und fügt an: „Caento ist ja auch ein Huaorani", woraufhin Pablo ganz überrascht meint: „Ach wirklich? Ich dachte immer, Caento sei ein Auca"...

Jetzt ist es gleich 18 Uhr und die Sonne muß jeden Augenblick im Fluß versinken. Ghazy hat aufgegeben und schläft in seiner Hängematte, Ica und Patricio palavern in der „Küche", Robert sitzt neben mir und genießt die Aussicht und Grace zeichnet mit dem Bleistift ein Portrait von Jepo, das sie ihr bei der Rückkehr schenken will. Es ist äußerst interessant, ihr beim Zeichnen zuzusehen: Sie hält den Bleistift in allen möglichen und unmöglichen Positionen, malt und radiert und benutzt dabei den Radierer genauso wie ein „normales" Zeichengerät. Ich positioniere das Stativ und erwische genau den richtigen Moment, um die Abenddämmerung mit dem Fotoapparat einzufangen.

Am Abend haben wir alle zusammen eine Menge Spaß, d.h. Patricio rollt sich recht früh in seinen Schlafsack, Ica schläft ohne jeden Schutz auf dem Boden des Hauses. Grace und Robert wollen noch ein Feuer machen, ich frage mich zwar wofür, denn kalt ist es ja nun beileibe nicht, stapfe aber wacker mit meiner Machete

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