Giftpfeile, Piranhas und Inzucht
- Roberts Eindrücke -

Ein Freund, der sich immer schon für bedrohte Völker engagierte, lädt mich ein, alte Bekannte von ihm zu besuchen - das Volk der Huaorani im Regenwald von Ecuador.

Wir reisen über Quito an, wo wir die ersten Tage, wo die Tour organisiert werden will, bei unserem Dschungelführer Ghazy, einem getreuen Abbild von Croco Dundee, in der Fabrik verbringen. Richtig: in seiner Fabrik. Er hat keine Wohnung, sondern haust in einer ihm gehörenden Werkstatt.
Die Anreise wird uns mit dem Auto nach Osten, in den „Oriente" Ecuadors, in militärisches Sperrgebiet in der Provinz Orellana, führen. Ein ausreichend großes Auto muß gechartert werden. Für den letzten Teil der Anreise muß noch ein großes Kanu gefunden werden, samt dazugehörigem Außenborder, da das Siedlungsgebiet der Huao praktischerweise nur auf dem Fluß erreicht werden kann - zumindest wenn man unseren Umfang an Gepäck dabei hat. Lebensmittel und vor allem Trinkwasser brauchen wir in großen Mengen, denn kein Europäer kann unbeschadet das Flußwasser trinken.
Die Vorbereitungen dauern einige Tage, sodaß wir erst nach fast einer Woche abreisen können. Wir sind zu fünft: Ghazy, seine Mutter Grace, mein Freund Ron und ich - und als zweiten Führer, Allroundmann und Koch nehmen wir „Patricio" mit, einen Ketschua-Indio, der nebenbei auch noch eine Gasgallone und eine Kochplatte mitsamt einer Sammlung Töpfe und Pfannen mitbringt. Es ist nicht unbedingt sein richtiger Name, aber er verwendet ihn, um einen für Touristen aussprechbaren Namen zu haben. Seinen richtigen Ketschua-Namen erfahren wir nicht.

Wir nehmen im späten Abend mit dem Van den Weg von Quito nach Coca, einer in den Dschungel geklotzten Stadt, die hauptsächlich von der Erdölförderung in dieser Region lebt. Das Erdöl ist Segen und Fluch: es bringt eigentlich Geld. Es bringt, wie Ghazy leidenschaftlich versichert, in Wahrheit gar nicht soviel Geld, denn die Branche ist fest in der Hand der Amerikaner, und das meiste Kapital kriegt der Staat Ecuador gar nicht zu sehen, von der Bevölkerung nicht zu reden. (Dementsprechend beliebt sind die „Gringos" hier auch, und in Quito sahen wir einmal sogar Solidaritäts-Graffiti mit Osama.) Für die Indios ist das Erdöl ein Fluch, nicht nur in ökologischer Hinsicht, sondern auch in kultureller und sozialer.

Die Straße, die von den Anden herunter ins Amazonasbecken führt, ist streckenweise rudimentär asphaltiert, aber größtenteils nur Schotterpiste und führt in engen Serpentinen die Bergtäler hinab. Vor allem schwere Trucks sind hier unterwegs, die eine lange Staubfahne hinter sich herziehen und in halsbrecherischen Manövern überholt werden - laut hupend, um eventuellen Gegenverkehr zu warnen.

In Coca, wo wir früh morgens ankommen, wird es zu einem Poblem, Außenborder (ein 200 kg-Monstrum) und vor allem einen geeigneten Süßwasserkapitän zu engagieren. Die Huaorani, die erst vor 30 Jahren überhaupt entdeckt wurden, gelten (nicht ganz zu Unrecht) als agressiv und kriegerisch und müssen einen Ruf wie Donnerhall haben, und als Ghazy erklärt, mit dem Boot (das wir immer noch nicht haben), nach Wentaro zu wollen, haben alle Kandidaten auf einmal rätselhafte Familienprobleme, Krankheiten und wichtige Termine.

Nach einer nervenaufreibenden Stadtrundfahrt, auf der Ghazy alle „Amigos" anpumpt, die er kennt (und er kennt, aufgrund seiner kontaktfreudigen Art, scheinbar halb Ecuador. Mit Ausnahme des Präsidenten. Allerdings soll das Land einen relativ hohen Präsidentenverschleiß haben, und da ist es schwer, auf dem aktuellen Stand zu bleiben), gelingt es uns dennoch, einen Außenbordmotor und einige Kanister Treibstoff zu organisieren.
Rein kilometermäßig haben wir das meiste hinter uns, aber es wird erst schwierig. Das Stück, das mit dem Auto noch vor uns liegt, führt bis zu einer Brücke über den Rio Chiripuno. Dort hat Ghazy (selbstverständlich, möchte man fast sagen) einige Amigos, und dort können wir übernachten, das Auto unterstellen und ein 12 m langes Kanu leihen. Der schwere Motor wird das schlammige Ufer hinuntergetragen und unter viel Aufwand an das Boot montiert - wozu erst wieder eine passender

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