Giftpfeile, Piranhas und Inzucht
- Roberts Eindrücke -


Etwas unterhalb der Siedlung, wo Mois Mutter wohnt (wo wir außerdem einen aus Queriono mitgebrachten Buschen Bananen abliefern), macht Ika wieder einen Hechtsprung - und wieder kleben wir am steilen Flußufer. Unter Gelächter eisen wir uns wieder los.

Das Lachen vergeht uns jedoch langsam. Mir wird immer bewußter, daß die Schmerzen im Bein kein Sonnenbrand sind, sondern eine Infektion und Entzündung der Gelenke durch Schmutz in den Wunden. Und außerdem nähert sich die Sonne unangenehm schnell dem Horizont. Plötzlich ist das Abendrot gar nicht mehr so schön anzusehen, denn die Brücke, unser unbedingtes Ziel, ist keineswegs in Sicht.

In der Dunkelheit kommen wir nur noch sehr vorsichtig voran. Und wir hätten keine Viertelstunde später sein dürfen - als Eloi plötzlich ruft: „Il puente!"

Wir sind da. Geschafft.

Das Ausladen erfolgt im Schein von Kerzen und Taschenlampen, fast schon gefechtsmäßig. Ghazy, dem man den Streß der letzten Tage nun doch anmerkt, steht inmitten und dirigiert wie ein erfahrener Feldwebel. Und noch muß - es ist 9 Uhr abends und stockduster - der Außenborder abgebaut werden, denn wir wollen ihn noch heute ins Auto laden und das Kanu zurückgeben.

Im Schein von Kerzen, die am Ufer und im Boot stehen, bauen wir das schwere Gerät ab und schleppen es schrittweise mit 5 Mann das schlammige rutschige Steilufer hoch. Eigentlich kriechen wir mehr hoch, und alle Augenblick geht ein anderer in die Knie oder rutscht aus. Irgendeine Kante fährt mir über das Knie und schabt etwas Haut ab, aber es fühlt sich an, als hätte es ein Stück Fleisch vom Knochen abgerissen.

Erschöpft aber erfolgreich stehen wir da, haben den Außenborder an einer sicheren Stelle postiert und rauchen. Das wäre geschafft. Eloi dreht sich in Richtung des Bootes um und ruft etwas Unverständliches - aber ich bin relativ sicher, es war das Huao-Wort für „Verdammte Scheiße."

Das Boot, das mit den beiden brennenden Kerzen aussieht wie der Begräbniskahn eines antiken Heldenkönigs, treibt in Flußmitte stromabwärts. Es wäre sehr romantisch - müßten wir es nicht seinem Besitzer zurückgeben.

Eloi rennt derart schnell durch das Wasser daß es fast aussieht als könnte er DARÜBER laufen, wie der Nazarener über den See Genesareth... und er schafft es, das Boot wieder zurückzuzerren.

Abends sitzen wir - nun wieder bei Rum und Wodka - zusammen und diskutieren über das Volk der Huao und seine Zukunft. Eloi sagt, daß der zunehmende Geldverkehr immer mehr soziale Pobleme - Verteilungsneid und Mißgunst - schafft. Obwohl sie das Geld dringend brauchen, um Schrotpatronen für ihre Jagdwaffen und andere Dinge zu kaufen, sähe er es lieber, wir würden mit solchen nützlichen Gegenständen gleich bezahlen - das würde weniger Probleme machen. Ich bin erstaunt, wie lernfähig die Indios sind, wenn es darum geht, die Technik der Nachbarn zu gebrauchen - wobei sie aber keinen Jota von ihrer Lebensweise als Jäger und Sammler abgehen wollen. Die Schule in Wentaro, wo ein wenig Lesen und Schreiben, Spanisch und Landeskunde unterrichtet werden (von einem Ketschua-Indio), hat kaum Bücher oder Schulhefte. Aber Queriono und Wentaro besitzen solarbetriebene Funkgeräte, und die Indios können damit umgehen. Medikamente gibt es praktisch nicht, dafür ist allerdings das Naturheilkundewissen der Schamanen beachtlich. Nebenbei versuche ich, einige Vokabeln der Huao-Sprache, die sehr nasal und „gequetscht" klingt, aufzuschnappen.

Die Rückfahrt über Coca - wo wir den leicht beschädigten Motor zurückgeben - nach Quito dauert den ganzen Tag, wir kommen irgendwann todmüde in Quito an.

nächste Seite