„Das Geld zerreißt unsere Familien"
- Von meinem Aufenthalt bei den Huaorani im Januar 2002 -

wir Ghazys Fabrik noch einbruchsicher machen. Vor allem um ein Rolltor macht er sich Sorgen und wir verbringen die halbe Nacht damit, es mit Eisenwinkeln und Vorhängeschlössern abzusichern, denn die einzigen Bewohner während unserer Abwesenheit sind Ghazys Hund Anouk, der die personifizierte Faulheit darstellt und die 21-jährige Otavallo-Indianerin Gabriele, eine extrem liebenswürdige Person, die in der Druckerei und im Haushalt hilft, aber leider furchtbar ängstlich ist und darüber hinaus eine gute Portion Aberglaube mit sich herumschleppt.

Einen Tag später als geplant und mit rund zweieinhalb Stunden Verspätung brechen wir dann mit unserem Van auf, begleitet von Gabrieles besten Wünschen. Wir holen zunächst Grace ab, die schon ungeduldig auf uns wartet und fahren anschließend zu Patricios Haus, um seinen Gaskocher und seine übrige Ausrüstung einzuladen. Und da haben wir auch schon das erste größere Problem: als wir gegen 22.30 Uhr auf der matschigen Straße den Berg zu seiner Hütte hinaufrutschen, bleiben wir im Schlamm stecken und kommen beim besten Willen nicht mehr weiter. Grace bittet uns allen Ernstes, umzukehren und sie in Quito abzusetzen, aber wir überhören das geflissentlich. Nach den Erlebnissen des Vorjahrs kann uns eh nichts mehr schocken und von einer unbefahrbaren Straße haben wir uns noch nie aufhalten lassen!

Wir schaffen es irgendwie, den Wagen im Rückwärtsgang mehrere Kilometer den Berg wieder herunter rutschen zu lassen und fahren zu Patricios Vater. Dort borgen wir uns ohne viel Fragen dessen Gaskocher aus. Gegen Mitternacht sind wir dann endlich auf der Straße nach Coca. Wir fahren die ganze Nacht ohne eine Unterbrechung durch, wobei ich mit aller Gewalt gegen die Müdigkeit ankämpfe und Ghazy in endlosen Gespräche verwickele, um ihn ja wach zu halten. So eine Panne, wie bei meinem letzten Aufenthalt im Dschungel, bei der unser Fahrer am Steuer einschlief und unseren Wagen in die Böschung lenkte, soll nicht noch einmal passieren. Erst gegen 5.45 Uhr, als es hell wird und Grace, Robert und Patricio wieder wach werden, schlafe ich auch noch eine gute Stunde, bis wir gegen 7 Uhr morgens ohne größere Probleme in Coca ankommen.

Eins der besseren Häuser am Ort ist das „Hotel Auca", das in den Innenräumen mit Fotos und Utensilien der Huaorani geschmückt ist. Ich erkenne einige alte Bekannte auf den Bildern und frage mich, ob sie wohl wissen, daß sie hier „ausgestellt" sind. Wir frühstücken dort und mieten ein Zimmer, obwohl das Hotel komplett ausgebucht ist. Aber Ghazy hat (wie im ganzen Land) natürlich auch hier seine Freunde und Freundinnen und mit ein paar Dollar unter der Hand bekommen wir den Zweitschlüssel zu einem Raum, in dem wir duschen und uns umziehen können; und übernachten wollen wir ja schließlich nicht.

Wir brauchen fast den ganzen Tag, um eine Gasflasche für unseren Kocher, einen Motor, ein Kanu und einen Fahrer, Benzin und all die anderen Dinge zu besorgen, die uns für unsere Fahrt noch fehlen, essen zwischendurch noch zu Mittag und verpassen letztendlich unseren Kanulenker, bzw. er taucht einfach nicht auf. Überhaupt ist es gar nicht so leicht, in Coca jemanden zu finden, der freiwillig zu den Huaorani fährt, zu schlecht ist ihr Ruf als „wilde Barbaren" noch in den Köpfen der Leute verankert. Wir tasten uns vorsichtig heran. Manuel, unser erster Kandidat, erklärt sich spontan bereit, sagt aber wenige Stunden später wieder ab, nachdem er mit seiner Frau gesprochen hat. Dann trifft Ghazy in den Straßen von Coca einen alten Freund, den er seit über acht Jahren nicht mehr gesehen hat. Auf Ghazys Frage, ob er bereit wär, für uns das Kanu zu lenken, sagt er: „Na klar, wo wollt ihr denn hin?" Als er dann „Wentaro" hört, fällt ihm plötzlich ein wichtiger Termin wieder ein, den er unmöglich verschieben kann... Uns läuft die Zeit davon und wir beschließen gegen 16.30 Uhr, ohne Kanu und ohne Fahrer weiter zur Shiripunobrücke zu fahren und ich hoffe inständig auf Ghazys zahlreiche Kontakte. Auch Ghazy merkt man seine Nervosität nun wieder an. Obwohl Coca eine Stadt vom Reißbrett ist, in der man sich eigentlich gar nicht verfahren kann, muß Patricio ihm ständig lauthals zubrüllen, wenn er irgendwo abbiegen oder einfach nur geradeaus fahren muß und an der letzten Tankstelle vor der Brücke bricht er dann einen Streit mit einem Autofahrer vom Zaun, der dort ganz ungeniert an einer Zapfsäule lehnt und sich eine Zigarette ansteckt. Wir selbst verkneifen uns das

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