Giftpfeile, Piranhas und Inzucht
- Roberts Eindrücke -

um zu schieben oder ein Hindernis aus dem Weg zu räumen. Einmal rammt unser Kanu einen untergetauchten Baumstamm, der ein kleines Loch in die Bordwand reißt. Ron und Patricio verstopfen es notdürftig mit Baumrinde, und ich verwandle mich mit einem abgeschnittenen Plastikkanister in eine Lenzpumpe.

Zu allem Überfluß hat auch noch der Anlasser - wie beim Rasenmäher mit Seilzug - einen Defekt, und wir müssen im Schatten überhängender Bäume eine Pause machen, während Ghazy fluchend repariert. Wir haben davon gehört, daß es im Fluß Piranhas gibt, und Ika hat uns sogar einmal einen „Cayman muerto" gezeigt, der auf einer Sandbank lag und verweste. Von daher staune ich immer mehr, daß die beiden Indios mehr im Wasser als im Boot unterwegs sind, und gar nicht bereit sind, sich von Piranhas sich auf die Knochen abnagen zu lassen. Sie erzählen - und sie müssen es wissen - daß man, solange man keine offene blutende Wunde hat, auch nicht angegriffen wird - höchstens zufällig. Solchermaßen getröstet, lassen wir uns ins kühlende Naß fallen. Ein Fehler, zumindest für mich. Aber das merke ich später erst.

Mittlerweile ist Ghazy mit der Reparatur fertig, und mit den Nerven. Wir beschließen, den Abend auf einer Sandbank zu verbringen, die im Gleithang einer Flußbiegung entstanden ist. Patricio und Ica bauen aus Stangen und einer Plastikplane ein primitives Küchenzelt auf, und mit einigen Holzdielen entsteht eine Art Biertisch - und Plastik-Gartenstühle haben wir mitgebracht, ein Graus in dieser Umgebung. Patricio leistet Meisterarbeit als Koch, es gibt Püree, Würstchen und etwas gekochtes Gemüse. Und er hat auch daran gedacht, eine Flasche Rum einzupacken - und für mich eine Ladung Wodka.

In der sternenklaren Nacht geraten wir zunehmend ins Philosophieren, während wir vergeblich versuchen, ein vernünftiges Lagerfeuer zu entfachen. Aber es gibt weit und breit kein trockenes Holz, und auch das, das trocken aussieht, qualmt mehr, als richtig zu brennen.

Morgens weckt mich ein Tukan mit durchdringendem Schreien und löst dadurch den Wunsch nach erschossenem Tukan am Spieß in mir aus. Wie immer, ist Patito zuverlässig als erster wach und hat bereits Kaffee gekocht. Er ist als Koch auf dieser Tour absolut unersetzlich.

Mir wird mittlerweile klar, warum das Wasserbad vom Tag vorher nicht ganz sinnvoll war. Gut, es war sowieso unvermeidlich, naß zu werden. Aber die sonnenverbrannte Haut ist nebenbei auch aufgeweicht, und an einigen Stellen haben Baumstämme und dornige Äste sich verewigt - einige Wunden sind jetzt offen. Mein Jodfläschchen muß her, und ich binde die Stellen mit Gaze und Klebeband ab. Nebenbei entwickle ich großen Hass auf meine Gummistiefel, die innen mit einer Art groben Stoff gefüttert sind, der auf der Haut ebenfalls wie Sandpapier wirkt.

Auch heute, am dritten Kanutag, kommen wir um das Schieben und Schleppen nicht herum - auf „uno, dos, tres" werfen sich alle Mann in die Riemen, und meine Versuche, sich elegant wieder ins Boot zu schwingen, sind immer mehr von dem Erfolg gekrönt, als daß ich auch wirklich auf meinem Sitzplatz lande und nicht, die Beine emporgereckt, auf dem Boden. Aber das ist noch gar nichts gegen eine Teilnehmerin vom vorherigen Jahr, eine Berlinerin, die bei einem derartigen Versuch in Patricios Blechgeschirr landete...
Patricio, seines Zeichens ein großer Kindskopf vor dem Herrn, macht sich einen Fez daraus, jedesmal „Uno, dos, quatro" zu brüllen und zu beobachten, ob trotzdem alle schieben.

Solchermaßen kommen wir in Queriono an, wo Ghazy, Pato und Ron (sein selbstgewählter Spitzname ist übrigens ein Fehler, denn er ist auch das spanische Wort für „Rum") bereits wohlbekannt sind, Ika ohnehin. Wir werden mit großem Hallo empfangen, und laden unsere Sachen aus. Wir können hier nicht weiterfahren, bedeuten uns die Indios, der Fluß ist von hier ab zu flach für unser großes Kanu. Nur ihre leichten Einbaumboote haben wenig Tiefgang genug, um bis

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