Giftpfeile, Piranhas und Inzucht
- Roberts Eindrücke -

logischerweise Geschwister sind) müssen verschiedenen Geschlechtern angehören, und es dürfen nur die Cousin/inen sein, mit denen man über einen Elternteil verwandt ist, der das entgegengesetzte Geschlecht von einem selbst hat. (Ich überlege vorsichtig wie es überhaupt möglich sein sollte, in der Huao-Sprache, die für viele Dinge gar keine Wörter hat, einen derartigen Sachverhalt verständlich zu formulieren. Abgesehen dürften bei einer derartigen Cousinsehe - aufgrund der zahlenmäßigen geringen Größe dieses Volkes, sie werden auf maximal 1500 Köpfe geschätzt - ohnehin alle vier Elternteile kreuz und quer blutsverwandt sein.) In der Praxis heißt das in etwa konkret: Ich (als Mann) darf meine Cousinen heiraten - allerdings nur die von meiner Mutter-Seite her. Und davon auch nicht alle - sondern nur die Töchter des Bruders meiner Mutter. Die Töchter der Tante würden mir genauso verwehrt bleiben wie die Nichten meines Vaters. (Als Frau dürfte ich nur die Cousins heiraten, die von der Vater-Seite stammen - und da wiederum von einer Schwester meines Vaters.)

Steinmüde, nicht nur von der Erörterung dieses Regulariums, fallen wir kurze Zeit später in Schlaf. Es ist ohnehin dunkel, und für die Indios ist mit der Dämmerung generell ihr Tag zu Ende. Mittlerweile ist auch der Mond wieder am zunehmen, die bleiche Sichel steht am Äquator horizontal, ein ungewohnter Anblick.

Am anderen Morgen, nach Patos gewohntem Frühstück, handeln die Indios mit uns. Sie bieten u. a. bunte Halsketten feil, die aus erdnussähnlichen tiefrot/schwarzen Früchten hergestellt werden, geflochtene Tragetaschen und Hängematten, und ähnliche Dinge. Ron ersteht - wir bezahlen die Dinge mit Geld, was mir etwas merkwürdig vorkommt - dazu später noch mehr - außerdem eines der wenigen selbstgefertigten Kleidungsstücke der Indios, eine eher minirockähnliche weiße Short-Hose, die aus einer reißfesten Baumrinde hergestellt wird. Und ich kaufe ein fast 3 m langes Blasrohr mitsamt Pfeileköcher - und der Mann, der es mir verkauft, weist mich auch gleich in die Technik des Schiessens ein. Immerhin, auf eine Entfernung von wenigen Metern treffe ich sogar etwas. Ich schenke dem Mann noch meine Taschenlampe, um ihm wenigstens irgend etwas Nützliches anbieten zu können. Den Gedanken, daß ich das 3m lange Rohr auch irgendwie nach Deutschland bringen muß, verdränge ich ins Unendlichweite.
Und natürlich müssen wir auch fotografieren - damit es fürs nächste Jahr auch wieder Souvenirs gibt.

Durch den zeitaufwendigen Anmarsch müssen wir uns leider schon wieder auf den Rückweg machen - zum allgemeinen Bedauern, denn Ron wollte mir noch sehr viel mehr von den Huao zeigen. Wir fahren mit den Einbaumkanus nach Queriono zurück, wo noch schnell weitere Souvenirs gekauft werden - Ghazy drängt, und die Zeit ist tatsächlich knapp. Jetzt haben wir Eloi, einen der Männer aus Wentaro, als Kapitän am Motor sitzen - und nachdem wir uns aus Queriono verabwunken haben, dreht er auf. Eloi fährt das Boot etwa so wie Ghazy seinen Landrover: wie ein Mörder, er heizt den Kahn ohne Rücksicht auf Verluste über querliegende Baumstämme und verläßt sich weitgehend auf den Schwung, den das vollbesetzte Kanu hat. Ika ist wieder Galionsfigur am Bug und gibt Handzeichen - diesmal etwas hektischer. Wir sind im Wettlauf mit der Zeit, denn wofür wir drei Tage brauchten, müssen wir jetzt an einem schaffen. Wenn wir nicht bis Einbruch der Dunkelheit an der Brücke sind, haben wir ein echtes Problem. Auch die Katzenaugen der Indios finden in dieser Finsternis nicht weiter.

Gelegentlich macht sich das Eigengewicht des Kanus und die daraus resultierende Massenträgheit bemerkbar - beim Lenken. Unvermittelt, in einer engen Flußbiegung, macht Ika einen Hechtsprung wie von einer Tarantel gebissen - und landet mit einem gewaltigen Platschen im Wasser. Keine Sekunde zu früh - mit lautem Knirschen und dem Geräusch splitternder Äste schiebt sich das Boot in das Gebüsch am Flußufer. Wir stecken erstmal fest. Aber nicht lange, mit „uno dos quatro" (O-Ton Patricio) kämpfen wir uns wieder frei.

Plötzlich kreuzt von links nach rechts ein kleines silbergraues Ubootperiskop unseren Weg. Es handelt sich um eine Schlange, die pfeilschnell den Fluß überquert, ich komme kaum dazu, auf den Auslöser zu drücken.

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