Giftpfeile, Piranhas und Inzucht
- Roberts Eindrücke -

Bohrer und eine Handkurbel aufgetrieben werden müssen.
Nachdem wir erstmal eine Nacht hinter uns haben, wird im Morgengrauen das Boot mit unseren Siebensachen beladen: Gasflasche, Kocher, Geschirr, unsere Rucksäcke, Zelte, Benzinkanister, Werkzeugkiste... Das Boot sieht aus wie ein schwimmender Kramladen, und es wird Mittag, ehe wir losfahren können.

An der Brücke sind wir noch im Stammesgebiet der Shuar-Indios, unmittelbare Nachbarn der Huaorani. Das Stammesgebiet der Huao, das von den Flüssen Napo und Cononaco begrenzt wird, liegt von hier aus flußaufwärts. Das Zusammenleben war nicht immer konfliktfrei, soll sich aber mittlerweile deutlich entkrampft haben. Hier stößt auch der 16jährige Ika zu uns, der jüngere Bruder von Moi - ein Huao-Indio, der als politischer Aktivist für die Rechte der Indios überregional bekannt ist. Ika ist unser Lotse durch den Floß und nebenbei - als Bruder des prominenten Moi - unser Eintrittsvisum, denn die Huao reagieren auf unbefugtes Betreten ihres Territoriums sehr prompt und sehr agressiv.

Der Fluß führt zu dieser Zeit - es ist Trockenzeit - unangenehm wenig Wasser. Oft werden wir durch Untiefen oder querliegende umgestürzte Baumstämme aufgehalten, müssen ins bis zu brusttiefe schmutztrübe Wasser aussteigen und das Kanu weiterschieben. Patricio und Ghazy wechseln sich beim Bedienen des Motors ab, Ika steht wie die Galionsfigur einer antiken Trireme am Bug und gibt Handzeichen. So passieren wir irgendwann ein am Flußufer unter Bäumen stehendes pechschwarzes Schild, auf dem „Territorio de Huaorani" steht. Ein Totenschädel ist nicht darauf gemalt, obwohl es mir so vorkommt.

Ich bin so überwältigt von der Kulisse des Regenwalds, daß ich fast das Fotografieren vergessen. Obwohl das Angebot an Tieren eher verhalten ist. Neben einigen bunten Papageienarten, Tukanen, Enten u. ä., die man gelegentlich am Wasser sieht, sehen wir vor allem handtellergroße Schmetterlinge in leuchtenden Neonfarben. Eine weiß-grüne Variante, wie die Fahne des Bundeslandes Sachsen, ist besonders häufig. Wo z. B. Früchte am Boden verfaulen, finden sie sich in dichten Schwärmen ein.

Wir machen kurz an einer Stelle halt, wo die Mutter des erwähnten Moi zusammen mit ihrer Familie am Flußufer wohnt. Mama Moi ist Großmutter im Kreis ihrer Enkel, hat, wie viele ihrs Stammes, mit einer Art Korkstopfen aufgeweitete Ohren und dichtes halblanges dunkles Haar. Zur Begrüßung erhalten wir eine Schale Chicha (eine Art Dünnbier) und erhalten erste Eindrücke von der mittlerweile nicht mehr ganz reinrassigen Lebensweise der Menschen. Immer noch flechten sie Taschen und Hängematten, leben von Jagd und Fischfang mit Blasrohr und Machete, halten sich Hühner und treiben Gartenbau auf kleinen Bananenplantagen - aber gerade Moi bringt gelegentlich Dinge von außerhalb mit, die er für nützlich hält. Und wenn es nur Teflonbratpfannen sind, Taschenlampen und Edelstahlmesser. Mama Moi interessiert sich vor allem für Grace, bzw. für deren leicht angegrautes lockiges Haar, das sie immer wieder anfaßt und ungläubig dazu lacht. Grace beschließt spontan, mit Bleistift ein Porträt der alten Frau zu malen, und auch wenn das Abbild dann doch etwas jugendlicher gerät, gibt es ihr markantes Gesicht doch gut wieder.

Wir haben keine Chance, das ca. 60 km entfernte Queriono, eine Huao-Siedlung (praktisch alle Huao-Dörfer liegen am Fluß als einzige vernünftige Verkehrsader), an diesem Tag zu erreichen. Gegen Abend - ca. 18.00 wird es fast schlagartig dunkel - erreichen wir ein Camp aus Schilfhütten, das von den Huao für ein Touristikunternehmen gebaut wurde. Hier ist sogar eine von Regenwasser gespeiste Dusche in den Urwald gebaut worden. Wir versuchen unsere vom ständigen Aussteigen patschnassen Kleider zu trocknen, und ich muß lernen: hier im Regenwald wird etwas, das einmal naß ist, praktisch NIE WIEDER trocken. Nebenbei stelle ich fest, daß ich an Armen und Beinen verbrannt bin wie ein gekochter Krebs - und das wird noch zu einem Problem für mich werden.

Auch am anderen Tag haben wir ein deutliches Problem, vorwärts zu kommen. Obwohl Ika fast jede Untiefe auswendig kennt - zaubern kann er nicht. Alle Augenblicke sitzen wir auf der Bootskante und lassen uns ins Wasser plumpsen,

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